Selten habe ich bekannte Moderatoren so nervös gesehen, wie beim gestrigen Auftritt der Kanzlerkandidaten. Oliver Köhr, seit Mai ARD-Chefredakteur für Politik Wirtschaft und Gesellschaft, und Maybritt Illner fielen sich gegenseitig immer wieder ins Wort, besonders Köhr wirkte unvorbereitet, hektisch drängelnd und wenig souverän. Maybritt Illner zeigte sich in der Rolle einer Ko-Moderatorin ungewohnt unsicher, beide verpassten, dass die Redezeit-Uhr von Olaf Scholz weiter lief, als bereits Annalena Baerbock an der Reihe war, die dann auf den Fehler hinweisen musste.
Die gestellten Fragen waren wenig originell, es fehlten zentrale Themen wie Haushalt, Schulden, Außenpolitik und innere Sicherheit. Viel zu lange wurde über Corona geredet, das Maybritt Illners Hobby zu sein scheint, wie man an der Zahl ihrer Talkshows zu diesem Thema erkennen kann. Konkrete Zukunftsfragen beschränkten sich auf das Thema Klima und die Digitalisierung und brachten altbekannte Antworten. Sicherlich wichtige Themen, aber eben nur ein Ausschnitt aus dem möglichen Themenspektrum. Dass Köhr als erstes wissen wollte, ob Laschet unter einem Kanzler Scholz dienen würde, war eine dümmliche rhetorische Frage, deren Antwort der Fragende natürlich schon kennt, reine Zeitverschwendung. Die üblichen Fragen nach möglichen Koalitionen brachten auch keine Klarheit, nach wie vor ziert sich Olaf Scholz, ein Bündnis mit der Partei Die Linke auszuschließen.
Weder die Moderatoren noch die Kanzlerkandidaten stellten Baerbocks diverse Plagiats- und andere Fehltritte zur Rede. Dass die Grünen-Vorsitzende überhaupt mitdiskutieren durfte, nur weil sie sich selbst als – chancenlose – Kanzlerkandidatin ausgerufen hatte, ist ein Witz. Im Duell zwischen Scholz und Laschet konnte sie sich in der Mitte in ihrer alten Rolle als Klimaaktivistin darstellen und verkünden, dass „auch Verbote Innovationen auslösen können“. Gefehlt hat gerade deswegen der FDP-Vorsitzende Christian Lindner der als einziger Wirtschaftsthemen kenntnisreich ins Gespräch gebracht hätte.
ZDF und ARD präsentierten anschließend jeweils eigene Umfragen (warum eigentlich, hätte man sich nicht die Kosten teilen können?), die „repräsentativ für die Fernsehzuschauer“ gewesen seien. Da macht schon stutzig, dass Scholz bei der ARD-Umfrage 41 Prozent Zustimmung bekam, beim ZDF nur 32 Prozent. Ein so großer Unterschied ist erklärungsbedürftig. Die beiden beauftragten Institute haben bei gleicher Grundgesamtheit jeweils 1500 Bürgerinnen und Bürger ausgewählt, deren Merkmale allen Zuschauern entsprechen. Trotzdem neun Prozent Unterschied bei Olaf Scholz! Solche Blitzumfragen haben sicher Unterhaltungswert, sind aber keine Wahlprognose. Selbst die hohe Zahl von elf Millionen Zuschauern ist nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Die Antworten auf die Frage „Wen fanden Sie am überzeugendsten?“ bedeuten keineswegs, dass der Gewinner Kanzler wird.
Ich habe Scholz als einen verärgerten und verunsicherten Kandidaten erlebt, den die Attacke von Laschet schwer genervt hat. Die Körpersprache von Olaf Scholz war eindeutig. Im Fall Wirecard ist ein wichtiges Protokoll nach wie vor von Scholz nicht freigegeben, selbst als Annalena Baerbock noch einmal explizit danach fragte, blieb Scholz die Antwort schuldig, weil Moderator Köhr nicht richtig zugehört und gleich das Thema gewechselt hatte. Dass so viele Zuschauer Scholz am überzeugendsten fanden, muss mit der Grundstimmung der letzten Umfragen zusammenhängen.
Objektiv betrachtet wirkte Scholz angeschlagen und müde, während Armin Laschet frisch und optimistisch auftrat, ohne dass das aufgesetzt schien. Für mich hat er gepunktet. Alles in allem war das aber ein missglücktes Triell, das den Zuschauer ratlos zurücklässt. Note 5 für die Moderatoren. Note 2 für Laschet und Baerbock. Note 4 für Scholz.
Nächste Woche gibt es noch einmal ein Triell in den Privatsendern. Man kann gespannt sein, wie gut die privaten Moderatoren vorbereitet sein werden und welches Themenspektrum sie ansprechen.