Seit dem überraschenden Rauswurf von Stephan Schäfer als CEO von RTL Deutschland kommen nach und nach die Zustände beim deutschen Medienriesen Bertelsmann ans Licht. In Gütersloh und Hamburg herrscht schlechte Stimmung, hört man von Insidern. Der Personalabbau im Corporate Center hinterlässt Spuren. Die Integration von Gruner+Jahr ist wohl ein einziges Desaster, RTL verliert TV-Werbeeinnahmen. Die Mitarbeiter von RTL sind frustriert, weil es jetzt wieder nur um Kostensenkungen geht und nicht um Inhalte., neue Marketingkonzepte oder neue Geschäftsmodelle.
Die von Rabe geplante Übernahme des US-Verlagshauses Simon & Schuster für 2.175 Mrd. US-Dollar wird wohl an den Bedenken der amerikanischen Antitrust-Behörde scheitern. Bei einem Scheitern dieses Deals könnten erhebliche Belastungen auf den Konzern zukommen. Der Kauf stand von Beginn an unter kartellrechtlichem Vorbehalt, die Freigabe in den USA steht weiter aus und könnte scheitern. Auch in der Chefetage scheint ein Umbau bevorzustehen: Laut Manager Magazin dürfte die Personalie Schäfer nicht die letzte sein. „Die neue Führung ist bald Geschichte“, so die Headline. Und weiter: „Radtke, neben Schäfer bislang zweiter Abgesandter von Gruner + Jahr im vierköpfigen Führungsteam der fusionierten RTL Deutschland, plant bereits seinen Ausstieg, Finanzchef Glatz wird sich unfreiwillig auf seinen Abschied vorbereiten müssen, und bei Matthias Dang, zuständig für die Vermarktung der Werbeplätze, muss Rabe hoffen, dass der standhaft bleibt. Nachdem Dang am Montag von Schäfers Schicksal erfahren hatte, schwankte er, ob er nicht aussteigen solle. Rabe vermochte ihn dann noch umzustimmen.“
Bertelsmann ist ein großer Laden und wird auch diese Krise überstehen. Aber klar ist, die Strategie funktioniert nicht wie geplant. Die Verschmelzung des Gruner+Jahr-Journalismus mit der RTL-Unterhaltungskultur ist ein typisches Produkt von Unternehmensberatern, vermute ich mal: Kosten sparen durch Fusion, Synergieeffekte nutzen und mit crossmedialer Vermarktung hohe Reichweiten für die Werbung anbieten. Das hört sich alles gut an, aber dabei bleibt etwas wichtiges auf der Strecke: Der Stolz, eine Journalistin oder ein Journalist zu sein.
Wo wird den Journalist:innen der Raum gegeben, für den Spiegel-Reporter und früher auch Stern-Reporter berühmt sind bezw. waren? Da konnten Journalisten noch Wochen und Monate weltweit recherchieren und den Dingen auf den Grund gehen. Der Cum-Ex-Skandal oder Panama Papers sind große Beispiele für das Selbstverständnis guter Journalisten, aber das gilt auch für die kleinen Geschichten in Lokalzeitungen, bei denen Digitalisierung und Kostendruck keine Zeit mehr für längere Recherchen lässt. Content-Marketing mit 1500 Journalist:innen für große Kunden statt Journalismus in Medien wie der Financial Times, der Washington Post oder der New York Times, dieses Programm kann funktionieren, aber das ist dann Marketing und kein Journalismus. Der findet jetzt eher bei kleinen Portalen wie Business Insider oder Finanzszene statt.
Netflix mit seinen weltweit 220 Millionen Abonnenten dürfte sich über die zwei Millionen Streaming-Abonnenten von TV Now, das jetzt RTL+ heißt, eher amüsieren, auch wenn daraus wie geplant acht Millionen werden sollen. Bertelsmann hat dieses Geschäft viel zu spät in Gang gesetzt. Es wirkt wie die vergeblichen Versuche der Sparkassen, Paypal einzuholen.
Thomas Rabe hat sich nun selbst an die Spitze von RTL-Deutschland gesetzt. Dort will er 3 Tage in der Woche arbeiten – wow – aber maximal ein Jahr. Ich bin gespannt, wie lange Liz und Christoph Mohn ihn schalten und walten lassen.