Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann hatte eine interessante Karriere hinter sich, bevor er 2012 das Medienhaus als CEO übernahm. Nach seiner Promotion prägten den Diplom-Kaufmann vor allem Positionen im Controlling und Finanzbereich, zuletzt als Finanzvorstand von Bertelsmann. Er ist durch und durch ein Herr der Zahlen, auch wenn er in jungen Jahren Bassist in einer Punk-Band war (!). Kein Wunder also, dass er das Verlagshaus Gruner+Jahr durchgerechnet und seine Zerschlagung angeordnet hat.
Sein Ziel: Die Kernmarken „Stern“, „Capital“, „Geo“ und „Brigitte“ und neun weitere sollen unter dem Dach von RTL erhalten bleiben, die übrigen 23 Magazine verkauft oder eingestellt werden. Im Zuge dessen werden 700 Stellen abgebaut.
Die Begründung: 2022 habe das Ergebnis des Verlagsgeschäfts von G+J nach allen Abzügen bei nur einer Million Euro gelegen. Im Jahr zuvor hatte der Geschäftsbericht von Bertelsmann Gruner+Jahr noch ein „erfolgreiches Jahr“ bescheinigt, schreibt die FAZ. Das Operating Ebitda, also das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, sei von 127 auf 134 Millionen Euro gestiegen, heißt es weiter. Zinsen, Steuern und Abschreibungen müssen das Ergebnis also auf wenige Millionen heruntergedrückt haben, wie genau, muss der Geschäftsbericht 2022 zeigen.
Rabe will jetzt 80 Millionen in die verbleibenden Kernmarken investieren, darunter 30 Millionen in die Digitalisierung des „Stern“. Die Transformation des Printgeschäftes in digitale Produkte ist sicher richtig. Ob die Fokussierung auf die Kernmarken richtig ist, muss sich indes noch zeigen. Der „Stern“ zum Beispiel hat ein Problem, das durch die Digitalisierung nicht gelöst werden kann: Er ist als einstmals politisches Magazin bedeutungslos geworden. Unter Henri Nannen war der „Stern“ neben Augsteins „Spiegel“ dasmeinungsbildende Blatt im linken politischen Spektrum. Investigative Geschichten haben heute – anders als früher – Seltenheitswert.
Der Rechner Rabe wird dennoch seine Gründe haben. Dies sei ihm zugestanden.
Es bleibt allerdings ein Punkt, der weniger mit Rechnungen und mehr mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun hat. Genau deshalb hat beispielsweise der Axel-Springer-Verlag nie die konservative WELT eingestellt, obwohl diese seit Jahrzehnten Verluste einfährt. Ein Medienhaus ist eben kein normales, ausschließlich renditeorientiertes Unternehmen. Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn hat seine gesellschaftliche Verantwortung 1977 in die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung eingebracht, aber das bedeutet nicht, dass die Verlagsgeschäfte einschließlich eines der weltgrößten Buchverlage frei von gesellschaftlicher Verantwortung sind. Medien sind zentraler Bestandteil der Kultur eines Landes. Natürlich genießen auch sie keinen unüberwindbaren Schutzzaun. Sie müssen ihre Akzeptanz mit jeder Ausgabe beweisen. Aber ein Medienhaus, das sich zahlreiche Magazine leistet, muss auch die Präsenz kleinerer Medien zulassen, selbst wenn sie „Beef“ oder „Business Punk“ heißen und Verluste machen. Auch solche Medien sind wichtig für die kulturelle Vielfalt am Kiosk und im Übrigen attraktiv für Zielgruppen, die nur noch wenige Berührungspunkte mit gedruckten Medien haben. Man schließt auch Museen oder Theater nicht ohne weiteres, sobald sie Verluste machen. Nur ist es so, dass die kleineren Medien tatsächlich fast ausnahmslos keine Verluste machen. Thomas Rabe ist ihr Gewinn zu niedrig. Das ist die simple Wahrheit. Der frühere Chef der Deutschen Bank Hilmar Kopper hat einst niedrige Gewinne als „Peanuts“ bezeichnet und dafür eine Menge Kritik eingesteckt. In solchem Denken steckt letztlich Verachtung für das Kleine. Große wollen eben nur Großes. Aber das macht sie in Wahrheit klein.